Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (2024)

Zu Gast am 15. Februar 2024

  • Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (1)

    MdB, Generalsekretär

  • Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (2)

    MdB, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

  • Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (3)

    MdB, zusammen mit Amira Mohamed Ali Vorsitzende der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“

  • Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (4)

    MdB, stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende

  • Deutschland in der Krise – Sehnsucht nach einfachen Antworten? (5)

    stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin

Deutschlands Probleme sind groß, die Sorgen der Menschen sind es auch. Es fehlt das Vertrauen, dass die Regierenden diese Probleme lösen und den Menschen ihre Sorgen nehmen können. Davon profitieren die AfD und, wenn man die Umfragen zugrunde legt, absehbar auch das Bündnis Sahra Wagenknecht. Beide halten die Krise für hausgemacht und schlagen nationale Antworten vor. Wo gibt es Konflikte, wo Übereinstimmung? Wo und wie grenzen sich Sozial- und Christdemokraten von AfD und BSW ab?

Bei "maybrit illner" treffen Spitzen beider Parteien erstmals in einem Polittalk aufeinander und diskutieren mit SPD und CDU.

Zu Gast bei Maybrit Illner sind die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht, die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Beatrix von Storch, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sowie die stellvertretende "Spiegel"-Chefredakteurin Melanie Amann.

"maybrit illner" mit dem Thema "Deutschland in der Krise - Sehnsucht nach einfachen Antworten?" am Donnerstag, 15. Februar 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.

Fakten-Box | 15. Februar 2024

  • Die Europawahl und eine Vielzahl von Kommunal- und Landtagswahlen in Deutschland bestimmen die politische Kommunikation der konkurrierenden Parteien in diesem Jahr. Parteitage sind geprägt von Positionsbestimmungen und inhaltlichen Abgrenzungen zu anderen Parteien, auch zu aktuellen Koalitionspartnern.

    Am vergangenen Sonntag waren knapp 550.000 Wahlberechtigte in Berlin aufgerufen, in einem Fünftel der Wahlbezirke die Bundestagswahl 2021 wegen damaliger Pannen zu wiederholen. Obwohl die Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags schon im Vorfeld als gering bewertet wurden, galt die Wahl als Stimmungstest für die Regierungskoalition im Bund.

    Betrachtet man nur das Ergebnis in den Wiederholungsbezirken, haben CDU und AfD deutlich hinzugewonnen, SPD und FDP stürzen ab. Berechnungen unterschiedlicher Medien zufolge konnte die CDU in den 455 Wahlbezirken, wo erneut gewählt wurde, um 6,9 Prozentpunkte zulegen, die AfD um 5,6%. Die Sozialdemokraten büßen 7,8 Prozentpunkte ein, die FDP 5,7 Punkte. Ein leichtes Plus verbuchen die Linken und die Grünen von 0,7 beziehungsweise 0,5 Prozentpunkten.

    Da die Wahlbeteiligung mit 69,5 Prozent geringer war als 2021 und somit auch die absolute Anzahl an Zweitstimmen, verliert der Bundestag vier Berliner Abgeordnete. Für sie rücken Kandidatinnen und Kandidaten von Listenplätzen aus anderen Bundesländern nach, die 2021 nicht zum Zuge kamen. An den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag hat sich nichts geändert.

    Die Berliner Wahlergebnisse spiegeln die Stimmungslage in Deutschland wider. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für die Bild-Zeitung, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, ist die Union momentan stärkste Kraft. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, kämen CDU und CSU zusammen auf 30 Prozent. An zweiter Stelle liegt die AfD, die mit 20,5 Prozent ihren Wert im Vergleich zu einer Umfrage in der Vorwoche halten kann.

    Ebenfalls unverändert bleiben die Werte der Ampel-Koalitionäre: Die Sozialdemokraten kommen laut INSA auf 15 Prozent der Stimmen, die Grünen auf 12,5 Prozent und die FDP würde mit 3,5 Prozent den Einzug in den Bundestag verpassen. Mit 3,5 Prozent käme auch die Linke nicht in den Bundestag. Das neugegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) würde mit 7,5 Prozent der mehr als 2.000 befragten Wahlbürger in den Bundestag einziehen. Dieser Trend zeigt sich auch bei den Umfragen anderer Wahlforschungsinstitute im laufenden Monat Februar.

    Am 9. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt. Auch dafür liegt eine aktuelle Umfrage für Deutschland vor, die vom Informationsportal t-online in Auftrag gegeben worden ist. Demnach könnte die AfD ihr Europawahl-Ergebnis von 2019 laut INSA verdoppeln und käme auf 22 Prozent. Stärkste Kraft wäre die Union (27%), die SPD käme auf 16 Prozent. Größter Verlierer wären die Grünen, die auf 10,5 Prozent abrutschen (2019: 20,5%). Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das zum ersten Mal zu einer Wahl antreten will, kommt in der Umfrage auf 5,5 Prozent.

    Trotz hoher Umfragewerte für die AfD bewerten zwei Drittel (66%) der Deutschen laut einer Umfrage die Politik der AfD als eine Gefahr für die Demokratie. Laut einer Forsa-Erhebung für das RTL/ntv-Trendbarometer sind nur 19 Prozent der Befragten der Auffassung, dass die AfD eine normale demokratische Partei sei. 76 Prozent der Befragten bezeichnen die wachsende Zustimmung in der Bevölkerung für die AfD als besorgniserregend.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

    Bildquelle: Gaetan Bally/KEYSTONE/dpa

  • Der Chef des Forsa-Instituts, Sozialwissenschaftler Manfred Güllner, hat mit Blick auf die derzeitigen Parteineugründungen vor Zuständen wie in der Weimarer Republik gewarnt. Durch Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder die Werteunion „droht eine Zersplitterung des Parteiensystems und die Gefahr von Weimarer Verhältnissen in Deutschland“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

    „Wenn zum Beispiel in Thüringen immer mehr Menschen Splitterparteien wählen, diese aber nicht ins Parlament kommen, sind immer weniger Prozente erforderlich, um den Ministerpräsidenten stellen zu können“, erklärte der Meinungsforscher. Das könnte der AfD und deren Thüringer Chef Björn Höcke „in die Hände spielen“.

    Die Werteunion mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen hatte am 20. Januar angekündigt, eine neue Partei zu gründen. Im selben Monat hatte bereits die frühere Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, mit weiteren ehemaligen Mitgliedern der Linken das „BSW – Bündnis Sahra Wagenknecht“ gegründet.

    Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Maaßen will seine Partei zwischen CDU und AfD platzieren, dort sieht er eine Lücke. Im Parteienspektrum rechts der Mitte finden sich mehrere Akteure, wie beispielsweise die 2022 gegründete Kleinpartei „Bündnis Deutschland“ oder die Partei „Wir Bürger“, deren Vorsitzender eine Zeit lang der frühere AfD-Chef Bernd Lucke war. Auch die „Freien Wähler“ sind längst nicht mehr auf Bayern begrenzt. Was diese Parteien voneinander trennt, ist auch die Frage, ob man im Zweifel mit der AfD koalieren würde oder nicht.

    Die Werteunion soll im Gegensatz zur CDU keine Partei mit einer „Brandmauer“ und damit „gesprächsbereit in alle politischen Richtungen“ sein, hieß es nach einer Mitgliederversammlung in Erfurt. Die AfD, die in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft wird, ist damit offenbar nicht ausgeschlossen. Ein Antritt der Maaßen-Partei bei den Landtagswahlen im Herbst wird angepeilt.

    „Die geplante Parteigründung der Werteunion sieht man in der AfD gelassen“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur Daniel Tapp, Sprecher der Bundesvorsitzenden, Alice Weidel. Er glaubt, die Neugründung habe „das Potenzial, Unruhe in die CDU zu tragen, wird der AfD aber nicht schaden“. Wählerumfragen sehen die AfD mit mehr als 20 Prozent stabil auf dem zweiten Rang hinter der Union.

    Die Hürden für die Neugründung einer Partei in Deutschland sind niedrig. „Ihre Gründung ist frei“, heißt es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Somit ist keine staatliche Genehmigung erforderlich. Allerdings muss die innere Ordnung der Partei „demokratischen Grundsätzen entsprechen“.

    Das Parteiengesetz schreibt keine Mindestzahl von Parteimitgliedern vor. Allerdings muss unter anderem durch die Zahl der Mitglieder und durch das öffentliche Auftreten eine „ausreichende Gewähr“ dafür geboten sein, ernsthaft an der politischen Willensbildung mitzuwirken.

    Erforderlich für die Neubildung einer Partei sind ein Gründungsvertrag, ein Beschluss über das Parteiprogramm und die Satzung sowie die Wahl eines aus mindestens drei Mitgliedern bestehenden Parteivorstands.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

    AfD mit Verlusten - BSW wächst

  • Seit Amtsantritt der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP im Dezember 2021 konnte sich die Ampel nicht aus einem Modus der Krisenbewältigung herausarbeiten. Die Folgen der Corona-Pandemie belasteten zu Beginn der Regierungszeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Wirtschaft und Bundeshaushalt. Die Inflation lag zur Jahreswende 2021/22 bei rund fünf Prozent, angetrieben von stark steigenden Energiepreisen.

    Lieferketten für Waren und Bauteile aus aller Welt waren noch nicht vollständig wiederhergestellt, als im Februar 2022 Russland die Ukraine angriff. Der Gasimport aus Russland brach zusammen, eine Gasmangellage konnte zwar abgewendet werden, aber teure Gas- und Strompreise belasteten die Verbraucher.

    Die Entlastungspakete der Bundesregierung belasteten den Haushalt. Die Schuldenbremse wurde ausgesetzt, um mit einem „Doppel-Wumms“ in Höhe von 200 Milliarden Euro die Folgen des Ukrainekriegs sowie die hohe Inflation abzufedern. Streit um eine Gasumlage belastete die Koalition in der zweiten Jahreshälfte 2022. Das Thema Gasumlage wurde Anfang 2023 durch die Wärmepumpe ersetzt – der Streit in der Koalition ging weiter.

    Nach anfänglichem Zögern lieferte die Bundesregierung der Ukraine schwere Waffen, darunter Kampfpanzer und Luftverteidigungssysteme, und stieg nach den USA inzwischen zum zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine auf. Die Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge erreichte die Millionengrenze und addierte sich zu den 350.000 Geflüchteten aus aller Welt, die 2023 in Deutschland Asyl beantragten.

    Kommunen erreichten die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit, Bund und Länder stritten um finanzielle Entlastungen, die Wirtschaft beklagte immer noch zu hohe Energiekosten, der Unmut der Wählerinnen und Wähler über die Bundesregierung wuchs und Verluste für die Ampelparteien bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern waren die Quittung.

    Im November verkündete das Bundesverfassungsgericht ein grundstürzendes Urteil über die Haushaltführung der Koalition und erklärte Kreditermächtigungen in Milliardenhöhe, die für feste Investitionsvorhaben bereits zugesagt waren, für verfassungswidrig. Die Verhandlungen über den Sparhaushalt 2024 wurden wieder öffentlich ausgestritten. Das Vertrauen in die Bewältigungskompetenz des Kabinetts Scholz sank weiter.

    Die Opposition aus CDU/CSU und AfD erreicht in Umfragen zusammen um die 50 Prozent der Stimmen im Land. In den Ostländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg, in denen im September Landtage gewählt werden, liegt die AfD als stärkste Kraft in Umfragen vorn.

    Neue Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die angekündigte Neugründung der Werteunion von Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wittern ihre Chance. Sie erkennen die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Ampel und versprechen, die bessere Politik zu machen.

    Die Herausforderungen in Krisenzeiten sind gewaltig. Im ARD-DeutschlandTREND für Februar 2024 erhält die Aussage, dass „der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen zerstört“, die meiste Zustimmung unter den Befragten (61%). Aber schon kurz dahinter folgt die Sorge, dass „man ausgerenzt wird, wenn man bei bestimmten Themen seine Meinung sagt“ (60%). Die Sorge, dass man seinen eigenen „Lebensstandard nicht halten kann“, folgt auf Platz drei (53%).

    Laut Forschungsgruppe Wahlen beurteilen 35 Prozent der im Januar befragten Bürgerinnen und Bürger die Wirtschaftslage in Deutschland als „schlecht“. Aber die eigene wirtschaftliche Lage halten nur 10 Prozent für „schlecht“. Mehr als die Hälfte (57%) bewertet sie als „gut“ und ein Drittel (33%) sagt „teils/teils“.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  • Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich im Januar dieses Jahres als neue Partei gegründet. Nach ihrem Bruch mit der Linken will die fraktionslose Bundestagsabgeordnete Wagenknecht nicht weniger als einen „politischen Neuanfang“ für die ganze Republik. Auf ihrem Gründungsparteitag billigten die 390 Mitglieder ein Wahlprogramm für die Europawahl am 9. Juni. Darin übt das BSW fundamentale Kritik und fordert erhebliche Änderungen. „Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee“, heißt es.

    Die neue Partei möchte unter anderem wieder mehr Entscheidungsgewalt für die Nationalstaatenund den Einfluss Brüssels verkleinern. Dafür soll der gemeinsame EU-Haushalt gedeckelt werden und das Einstimmigkeitsprinzip der EU-Staaten in wichtigen Entscheidungen abgeschafft werden. In Außen- und Sicherheitspolitischen Belangen jedoch soll die EU laut Wagenknecht geeint stark auftreten und sich so unabhängig von den USA machen.

    Die Wagenknecht-Partei möchte „unkontrollierte Migration in die EU stoppen“ und will dabei auf Asyl- und Prüfverfahren an den EU-Außengrenzen oder in Drittländern setzen. Flucht- und Migrationsursachen sollen durch Entwicklungspolitik gelöst werden. Das BSW gesteht Menschen, die aus politischen, religiösen oder anderen Gründen verfolgt werden, ein Recht auf Asyl zu. Wer vor Krieg flüchtet, soll „möglichst nah an ihren Heimatländern“ eine sichere Zuflucht finden, heißt es im Europawahl-Programm.

    Die „Macht multinationaler Konzerne“ will das BSW ausdrücklich einschränken und durch eine „schärfere Kartellpolitik“ sollen kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt werden. Die neue Partei will den gesellschaftlichen Wohlstand „gerecht verteilen“ und „Superreiche“ besteuern. Der Staat soll mehr Geld in Bildung und Infrastruktur stecken und dafür die Schuldenbremse lockern.

    In der Sozialpolitik soll die Privatisierung und Kommerzialisierung existenzieller Dienstleistungen wie Wohnen, Wasser- und Energieversorgung gestoppt werden. Wagenknecht plädiert für höhere Mindest- und Tariflöhne und bessere Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, selbst wenn dies höhere Beiträge bedeuten würde.

    Das BSW formuliert als weiteres Ziel eine „neue europäische Friedensordnung, die längerfristig auch Russland einschließen sollte“. Frieden und Sicherheit in Europa könnten „nicht im Konflikt mit der Atommacht Russland gewährleistet“ werden. Konkret fordert das Bündnis einen Waffenstillstand in der Ukraine und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Um Putin zu „motivieren“, sollte Russland der „sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine“ angeboten werden.

    Um die Energiekosten zu senken, will Wagenknechts Partei, dass Deutschland den Bezug von Öl und Gas aus Russland wieder aufnimmt.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

    Bildquelle: dpa

  • Im Sommer 2023 verabschiedete die AfD ihr Programm für die Europawahl am 9. Juni 2024. Darin beschreibt die Partei die EU als „undemokratisches und reformunfähiges Konstrukt“ und fordert eine Neugründung als „Bund europäischer Nationen“. Das Programm fiel – auch nach Intervention der Parteispitze – am Ende moderater aus als das, was die gewählten AfD-Kandidaten für die Europawahl in ihren Reden vorgetragen hatten.

    Die Idee eines Austritts Deutschlands aus der Europäischen Union („Dexit“) taucht in dem Wahlprogramm nicht explizit auf. Trotzdem hatte AfD-Chefin Alice Weidel den Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“) jüngst als „Modell für Deutschland“ bezeichnet. In einem auf Englisch erschienenen Interview mit der Londoner „Financial Times“ vom 22. Januar skizzierte Weidel das Vorgehen ihrer Partei für den Fall einer Regierungsübernahme: Zunächst würde die AfD versuchen, über eine Reform der EU deren „Demokratiedefizit“ aufzulösen. Sollte dies keinen Erfolg haben, würde ein Referendum über Deutschlands Verbleib in der EU angesetzt.

    In der Asylpolitik möchte die AfD der EU die Zuständigkeit nehmen und „an die Nationalstaaten zurückgeben“. Sie plädiert für einen „strikten Grenzschutz“ an den EU-Außengrenzen und befürwortet das sogenannte „Ruanda-Modell“, das Asylverfahren in einem Drittstaat außerhalb der EU vorsieht.

    Im finanz- und wirtschaftspolitischen Teil des Wahlprogramms wird die „Wiedereinführung der Deutschen Mark“ begründet: „Nur durch nationale Währungen erlangt jeder Staat wieder seine Souveränität über seine Wirtschafts- und Währungspolitik zurück“. Um über eine Währungsreserve zu verfügen, soll im Ausland „gelagertes Staatsgold“ zur Deckung einer neu eingeführten Währung „vollständig“ nach Deutschland überführt werden.

    In ihrem Grundsatzprogramm fordert die AfD, dass Steuern und Abgaben „nicht mehr beliebig erhöht werden können“. Die Begrenzung soll analog zur Schuldenbremse grundgesetzlich verankert werden. In der Familienpolitik will die Partei eine „höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ fördern, indem Eltern für den Erwerb von Wohneigentum zinslose Darlehen erhalten, „deren Schuldsumme sich mit jedem neugeborenen Kind vermindert“.

    Die AfD lehnt Maßnahmen im Kampf gegen die Erderwärmung ab: „Wir teilen die irrationale CO2-Hysterie nicht, die unsere Gesellschaft, Kultur und Lebensweise strukturell zerstört.“ Das Klima habe sich „seit dem Bestehen der Erde“ stets gewandelt. Die klimatischen Veränderungen der jüngeren Vergangenheit bedürften „keinerlei spezieller Maßnahmen“. Alle Klimaschutzgesetze auf nationaler und europäischer Ebene sollen abgeschafft werden.

    Eine ausdrückliche Verurteilung des russischen Angriffskriegs findet sich nicht im Europawahlprogramm. Die AfD fordert eine Wiederannäherung an Russland und ein sofortiges Ende der Wirtschaftssanktionen. Zu den USA geht die AfD auf Distanz: Deren Interessen „unterscheiden sich in zunehmendem Maße von denen Deutschlands“.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

    Bildquelle: dpa

  • Vertreter der AfD haben Ende November gemeinsam mit Rechtsextremisten einen Plan zur Deportation von Millionen Migranten aus Deutschland beraten. Das hat das Recherchenetzwerk Correctiv herausgefunden und Anfang Januar veröffentlicht. Das Geheimtreffen fand in einem Landhotel bei Potsdam statt.

    Auch einzelne Vertreter der Werteunion sowie der CDU seien bei den Gesprächen dabei gewesen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verurteilte das: „Für ein solches Gedankengut ist in unserer Partei kein Platz. Wir werden Konsequenzen prüfen und hart durchgreifen.“

    Von der AfD nahmen der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig, die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, sowie der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, an dem Treffen teil. Hartwig war zuletzt persönlicher Referent der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, die sich nach der „Correctiv“-Enthüllung von ihrem Mitarbeiter getrennt hat.

    Bei dem Geheimtreffen soll ein „Masterplan“ besprochen worden sein, der die Abschiebung von Migranten sowie die Ausbürgerung von Deutschen mit Migrationshintergrund vorsieht. Das Konzept für eine sogenannte „Remigration” wurde von Martin Sellner vorgestellt, dem früheren Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Über die Recherche von Correctiv ist ein Rechtsstreit entbrannt. Teilnehmer haben gegen das „Team hinter der Recherche“ Anzeige erstattet, berichtet „DIE WELT“.

    Die Strafanzeige von Huy bezieht sich auf den Paragraphen 201 des Strafgesetzbuches. Es geht um die Frage, ob das Treffen in Potsdam heimlich abgehört wurde. Correctiv-Anwalt Thorsten Feldmann verneint dies. Huys Vorwurf solle darauf abzielen, Correctiv öffentlich zu diskreditieren. Die weiteren Anklagen beziehen sich auf den Inhalt des Correctiv-Artikels.

    AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch bezeichnete auf der Plattform X das Recherchenetzwerk Correctiv als eine „von linken Politikern und grünen Milliardären geförderte Organisation zur Bekämpfung politischer Gegner.” Es hätte kein Geheimtreffen und keinen Masterplan gegeben. Es handele sich um eine „von langer Hand vorbereitete Kampagne”.

    Der sozialwissenschaftliche Begriff „Remigration” bezeichne die Rückwanderung von Menschen in ihr Heimatland, aus dem sie ursprünglich migriert seien, erklärt die Frankfurter Extremismusforscherin Alice Blum. Die Neue Rechte habe den Begriff in den vergangenen Jahren für ihre Propaganda-Zwecke genutzt. Wer den scheinbar harmlosen Begriff nutze oder in der Berichterstattung unkritisch weiterverbreite, verschleiere die gewaltvolle und sehr bedrohliche Forderung der Neuen Rechten, die damit verbunden sei, erklärte Blum.

    Seit der Enthüllung über das Potsdamer Treffen sind innerhalb weniger Wochen in über 300 großen und kleinen Städten in Deutschland mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus und die AfD zu demonstrieren. Fast täglich finden neue Demonstrationen statt.

    Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

    Bildquelle: dpa

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Author: Gregorio Kreiger

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