"Das ist also ein Mittwochabend in Berlin" (2024)

Konzertkritik | Kings Of Leon in der Waldbühne - "Das ist also ein Mittwochabend in Berlin"

Do 01.06.23 | 09:41 Uhr | Von Bruno Dietel

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"Das ist also ein Mittwochabend in Berlin" (1)

    Mit "Sex On Fire" und "Use Somebody" haben sie vor 15 Jahren echte Hits gelandet – mittlerweile machen die Kings Of Leon über 20 Jahre Musik. Bruno Dietel über ein Publikum, das mit der Band erwachsen geworden ist und Rockstars, denen man es nicht anmerkt.

    Als die Kings Of Leon unauffällig auf die Bühne huschen, haben gerade noch ein Vater und sein Sohn eine Partie UNO auf einer der Bänke in der Waldbühne zu Ende gespielt. Zum Warm-Up gab es Post-Punk-Klassiker von Joy Division und Retro-Filmschnipsel auf der Videowand. Auffällig viele Menschen tragen Chucks und als die Kameras ins Publikum schwenken, fangen sie eine Menge ein, die überwiegend jenseits der 30 ist. Die Menschen in der so gut wie ausverkauften Waldbühne sind mit ihren Indie-Rock-Idolen mitgewachsen – das erfolgreichste Kings Of Leon-Album "Only By The Night" ist vor 15 Jahren erschienen.

    Jeansjacke und angegrauter 3-Tage-Bart

    Die Blätter der kleinen Hecken zwischen den Rängen der Waldbühne zittern, als auf der Bühne der Bass losknarzt. Dicke Synthiewände schieben sich einmal durch das Amphitheater hindurch. Was für ein einnehmender, starker Live-Sound, egal an welcher Stelle im riesigen Halbrund – das fällt direkt auf. Kings Of Leon-Sänger Caleb Followill trägt stilecht für einen erwachsenen Indierocker Jeansjacke, weißes Unterhemd und Halskette mit Kreuz, dazu einen angegrauten 3-Tage-Bart. Damit ist er bei weitem nicht der einzige in der Waldbühne, wer orientiert sich hier eigentlich an wem, der 41-jährige Kings Of Leon-Sänger an seinen männlichen Fans in den besten Jahren oder ist es eher umgekehrt?

    Band der wenigen Worte

    Für ausladende Ansagen und persönliche Bühnenstories waren Kings Of Leon noch nie bekannt, von daher dauert es bis zum dritten Song, ehe von Sänger Caleb ein kurzes "Thank You Very Much" kommt. Das soll sich im Laufe des Abends ändern, aber erst einmal müssen die Kings Of Leon auftauen. Erst verziehen Caleb und Band, die auch sonst drei Brüder und ein Cousin sind, keine Miene, dann ist ein neckisches Augenzwinkern zu entdecken. Bei "Notion" passiert die erste Panne des Abends – Kings Of Leon müssen neu ansetzen, Caleb "f*cked it up". Was das Publikum erst recht aufhören und warm werden lässt. Während der Rest der Band höchstens mit dem Fuß auftippt, hält es Gitarrist Matthew Followill kaum am Boden, so energisch wippt und stampft er. Matthew hält sich zurück – ein einsamer tanzender Gitarrist wäre etwas zu viel für diese noch im Aufwärmen befindliche Show.

    • dpa/Wolfram Steinberg

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    Motivierte Routine oder professionelle Lustlosigkeit?

    Über 20 Jahre machen Kings Of Leon schon Musik. In der Waldbühne gibt es Momente, da spielen sie die Songs aus ihren mittlerweile acht Alben so runter, als sei aus einer motivierten Routine eine professionelle, lustlose Langeweile geworden. Das geht so weit, dass einzelne Gitarrenlinien von Caleb verkorkst und Songanfänge mehrfach eingezählt werden. Aber der Grundsound der Kings Of Leon macht diese kleinen Schnitzer wett – dieses Gegenspiel aus über allem schwebenden, gleißend hohen Gitarrensoli und Bässen, die selbstbewusst dagegen anpumpen ist wahnsinnig packend. Und auch ihr Spektrum überzeugt: Synthie-geladene Hymnen, dreckige Indiepunk-Bretter, melancholischer Südstaaten-Sound, alles dabei.

    Understatement und rotzige Punk-Schrammeligkeit

    Kings Of Leon sind Rockstars – ihr erfolgreichster Song "Sex On Fire" hat gerade die Milliarde Plays auf Spotify durchbrochen, es ist einer der letzten richtigen Rock-Hits. Der Band merkt man diesen Ruhm nicht wirklich an, sie ziehen das Ding mit einer Attitüde zwischen Understatement und rotziger Punk-Schrammeligkeit durch. Noch zwei Konzerte, eins davon am Wochenende bei Rock am Ring, dann geht es für die Kings Of Leon zurück in die USA, Zeit fürs Studio und ein neuntes Album.

    "Sex On Fire" in tiefroter Waldbühne

    "Das ist also ein Mittwochabend in Berlin", ruft Sänger Caleb in die Menge und wischt sich den Schweiß von der Stirn – über das Konzert hinweg kommt er für Kings Of Leon-Verhältnisse fast ins Plaudern. Die Waldbühne sei für sie schon immer eine besondere Location gewesen, das Berliner Publikum sowieso, erzählt Caleb, dann wird gemeinsam mit dem Publikum der Mond bestaunt. Zu "Sex On Fire" ist die Waldbühne noch einmal in ein tiefes Rot getaucht, jetzt können alle frenetisch mitgrölen – und genauso unauffällig und plötzlich, wie Kings Of Leon die Bühne betreten haben, sind nach etwas mehr als 100 Minuten wieder weg.

    Sendung: rbb24 Inforadio, 01.06.2023, 7:55 Uhr

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    1. 4.

      Mega Abend ....es war einfach der Knaller !!!! Natürlich altern wir mit ,aber das ist doch normal. Unser Sohn 8 ist noch ganz überwältigt von dem Konzert .....KoL forever!!!!

    2. 3.

      Was für ein Konzert!! Natürlich sind die Fans mit gealtert, was erwartet man auch von einer Band, die es schon seit 20 Jahren gibt? Caleb war einfach genial, ohne groß sich andauernd selber beweihräuchern zu müssen( a la wir sind die Kings of Leon) spielen sie sympathisch rockig ihre geilsten Nummern. Für mich einer der genialsten Mittwochabende meines Lebens. Zudem cooles Publikum was einfach der Musik wegen kommt und nicht, um irgendeine Lasershow mit Schwenkkran, 50 Tänzern und Schichi abzufeiern.
      Wir haben gerockt!!!

    3. 2.

      Völlig uneitel den Abend gerockt mit dem Krachersong ganz am Ende als krönenden Abschluss, gestern passte alles, Danke.

    4. 1.

      Das war gestern Abend einfach einzigartig. Danke :-)

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